... die Geschichte meiner Großeltern über 6 Epochen hinweg

von 1895 bis 1992
Home Erich & Dina ... die Geschichte meiner Großeltern über 6 Epochen hinweg

Basis dieses Magazins bilden die 1980 niedergeschriebenen Erinnerungen und Erlebnisse Erich Dießners, ergänzt durch eigene Erinnerungen und medial aufgearbeitet von seinem Enkel Klaus Sommermeyer.

Friedrich Erich Dießner, geboren am 25. November 1895 in Särka im Königreich Sachsen und Christine (genannt Dina) Schmoll, geboren am 16. Januar 1896 in Breisig in der Rheinprovinz des Königreiches Preußen, heirateten am 17. Mai 1919 im Sächsischen in Kotitz bei Weißenberg.
Im gleichen Jahr übernahmen und kauften sie in Gera, der Residenzstadt des Fürstentums Reuß jüngere Linie das Sport- und Jagdwaffen Geschäft Richard Fischer Jr. mit dem Wohn- und Geschäftshaus in der damaligen Zeppelinstr. 16 (heute Rudolf-Diener-Str.).
Dort wurden auch ihre beiden Töchter Erika (25.11.1923) und Anneliese (05.11.1926) geboren.
Das Geschäft sicherte ihnen ihre Existenz bis zum Jahre 1946. Nachdem die Amerikaner, die Gera am 14. April 1945 befreiten, u. a. Waffen, Munition, seltene Sammlerstücken u.v.m. entwendeten und den privaten PKW requirierten, stellten die Russen, die am 2. Juli 1945 in Gera einrückten, das Geschäft 1946 unter Sequester und im Sommer 1948 wurde durch die Exekutive des zwischenzeitlich gegründeten Landes Thüringen, das Geschäft sowie das Wohn- und Geschäftshaus enteignet.
Sie mussten aus der Zeppelinstr. ausziehen und sich auch eine neue Existenz suchen bzw. aufbauen.

In einer beispielhaften Vita baute sich Erich nach dem Krieg eine neue Existenz für sich und seine Familie mit dem Zählgeräte Werk auf. Ihre älteste Tochter Erika war ihm dabei die unersetzliche Person an seiner Seite, auf die er sich voll verlassen konnte. Sein Erfolg war auch ihr Erfolg.
Als im April 1972 Erich sein Lebenswerk an den Staat verkaufen musste, umfasste der Betrieb mit Sitz in der Untermhäuser Schellingstr. 6 mehrere Betriebsteile in und um Gera mit ca. 120 Beschäftigten. Gedacht war, dass seine beiden Enkel das Unternehmen nach Abschluss ihres Studiums im Frühjahr 1972 weiter führen sollten. Wie gesagt, gedacht …

das Zählgerätewerk in der Geraer Schellingstr. 6

Im Jahre 1944 feierten Erich und Dina ihr Silberne und im Jahre 1969 ihre Goldene Hochzeit. Nur wenige Monate vor der Eisernen Hochzeit verstarb Dina in der Silvester Nacht 1978/79 um 2 Uhr im Waldklinikum Gera am ersten Tag des neuen Jahres.
Erich starb 13 Jahre später im 97. Lebensjahr am frühen, lauen Sommerabend des 19. Juli 1992 in seinem Haus auf der Hammelburg im Kreise seiner Familie.
Sie haben noch als Kinder bzw. Jugendliche die „Friedenszeit“ zum Anfang des 20. Jahrhunderts erlebt. Beide mussten den 1. genauso wie den 2. Weltkrieg durchstehen, in 2 Diktaturen und der Besatzungszeit galt es, sich zu arrangieren (gegebenenfalls auch zu angaschieren!?) und durch zu kommen.
Erich erlebte noch die beginnende Wiedergutmachung in den ersten Jahren des wieder vereinten Deutschlands. Die eigentliche Entschädigung für seine zwei Unternehmen:

Richard Fischer Jr. Hofbüchsenmacher, Inh. Erich Dießner
und
Dießner Zählgerätewerk KG

erlebte er nicht mehr, aber er wusste um sie. Diese sollte vom Bundestag erst Jahre später gesetzlich geregelt werden; die Auszahlung der Entschädigungen erfolgte erst im Jahre 2000 (für das Zählgerätewerk) und 2011 (für die Büchsenmacherei).
Fünf unterschiedliche Staatsformen durchlebten Dina und Erich im Laufe ihres Lebens gemeinsam, Erich dann nach der Wende die sechste!
Was für eine bewegte Zeit.

Dabei wurde die jeweils alte Form der Administration mit der Arroganz der NEUEN abgelöst, JETZT wird alles GUT, gleichsam das gesellschaftliche Paradies bricht aus. Wie hatte Scheidemann vom Fenster des Reichstages am 9.11.1918 ausgerufen: „Das Alte und Morsche … ist zusammengebrochen“. So einen Neuanfang, wie im Herbst 1918 erleben Dina und Erich insgesamt noch 3 mal gemeinsam, Erich sogar ein 4. mal. Und immer:
Jetzt wird alles besser!

Ist es jedes Mal so gekommen, wie die selbsternannten Propheten es deklariert hatten?
MITNICHTEN!
Wir können im Leben nur zurückschauen, in die Zukunft ist uns der Blick verwehrt. „Die einzige Quelle des Wissens ist die Erfahrung.“ (Albert Einstein)
Das NEUE birgt immer einen gewissen Zauber in sich, aber es kommt auf die Nachhaltigkeit an. Und da gab es schon einige böse Verläufe, wenn man nur an die Nazizeit denkt oder an die Besatzungszeit, die existenzzerstörende. Lange Zeit wähnte man sich in der DDR „der Zukunft zugewandt“. Aber die Arroganz der Bestimmer der Arbeiter- und Bauernmacht sorgte für den eigenen Untergang. Ja, so gar die Bundesrepublik wartete mit „Überraschungen“ auf, die wir noch in tiefster DDR-Zeit nicht für möglich gehalten hätten, einfach für den Westen uns gestritten hätten, dass so was nie passieren würde, so was undenkbar wäre. Die Rede ist von den ungeklärten Eigentumsverhältnissen beim Untergang der DDR und dem Versprechen Helmut Kohls „Rückgabe vor Entschädigung“ (aber dazu im Kapitel „Bundesrepublik Deutschland“ mehr). Dieses wurde schneller gebrochen, als man denken konnte.

Die Texte wurden u. a. vom Jonathan eingesprochen.
Zitate sind Erichs Erinnerungen von 1980 entnommen
Fehlen bei Fotos/Dokumente/Schriftstücke die Quellenangaben, sind diese aus dem Familienbesitz.